„Stark ruft das Lied, kräftig reizt der Zauber...“
Die Festspielidee
Die Entwicklung der Festspielidee und die Entstehung von Wagners Hauptwerk "Der Ring des Nibelungen" sind eng miteinander verwoben. Als am 13. August 1876 die ersten Richard-Wagner-Festspiele mit dem "Rheingold" begannen und in einem riesigen Defizit endeten, wollte sich niemand vorstellen, dass daraus eine lange Tradition werden könnte.
Ursprünglich wollte Richard Wagner nur ein provisorisches Theater am Rande des Rheins bauen lassen, um dort einmal die Tetralogie vom "Ring des Nibelungen" aufführen zu lassen. Dann sollte der hölzerne Bau wieder abgerissen werden.
So skizzierte Richard Wagner am 14.September 1850 zum ersten Mal die Idee eines Festspiels, die ihn von nun an nicht mehr losließ:
Ich denke daran, den Siegfried wirklich noch in Musik zu setzen, nur bin ich nicht gesonnen, ihn auf's geradewohl vom ersten besten Theater aufführen zu lassen: im Gegenteil trage ich mich mit den allerkühnsten Plänen [...] Dann würde ich nämlich hier [...] nach meinem Plane aus Brettern ein Theater errichten lassen, die geeignetsten Sänger dazu mir kommen und alles Nötige für diesen einen besonderen Fall mir so herstellen lassen, dass ich einer vortrefflichen Aufführung der Oper gewiß sein könnte.
(Richard Wagner an Ernst Benedikt Kietz (1816 - 1892), 14. September 1850)
[...] - hier, wo ich nun gerade bin und wo manches gar nicht so übel ist, würde ich auf einer schönen Wiese bei der Stadt von Brett und Balken ein rohes Theater nach meinem Plane herstellen und lediglich bloß mit der Ausstattung an Decorationen und Maschinerie versehen lassen, die zu der Aufführung des Siegfried nötig sind. Dann würde ich mir die geeignetsten Sänger, die irgend vorhanden wären, auswählen und auf 6 Wochen nach Zürich einladen: den Chor würde ich mir größtenteils hier aus Freiwilligen zu bilden suchen [...] So würde ich mir auch mein Orchester zusammen laden. Von Neujahr gingen die Ausschreibungen und Einladungen an alle Freunde des musikalischen Dramas durch alle Zeitungen Deutschlands mit der Aufforderung zum Besuche des beabsichtigten dramatischen Musikfestes: wer sich anmeldet und zu diesem Zwecke nach Zürich reist, bekömmt gesichertes Entrée, - natürlich wie alles Entrée: gratis! [...] Ist alles in gehöriger Ordnung, so lasse ich dann unter diesen Umständen drei Aufführungen des Siegfried in einer Woche stattfinden: nach der dritten wird das Theater eingerissen und meine Partitur verbrannt. Den Leuten, denen die Sache gefallen hat, sage ich dann: "nun macht's auch so!"
(Richard Wagner an Theodor Uhlig (1822 - 1853), 22. September 1850)
Ich beabsichtige meinen Mythos in drei vollständigen Dramen vorzuführen, denen ein großes Vorspiel vorauszugehen hat. Mit diesen Dramen, obgleich jedes von ihnen allerdings ein in sich geschlossenes Ganzes bilden soll, habe ich dennoch keine "Repertoirestücke" nach den modernen Theaterbegriffen im Sinne, sondern für ihre Darstellung halte ich folgenden Plan fest: - An einem eigens dazu bestimmten Feste gedenke ich dereinst im Laufe dreier Tage mit einem Vorabende jene drei Dramen nebst dem Vorspiele aufzuführen: den Zweck dieser Aufführung erachte ich für vollkommen erreicht, wenn es mir und meinen künstlerischen Genossen, den wirklichen Darstellern, gelang, an diesen vier Abenden den Zuschauern, die um meine Absicht kennenzulernen sich versammelten, diese Absicht zu wirklichem Gefühls- (nicht kritischen) Verständnisse künstlerisch mitzuteilen. Eine weitere Folge ist mir ebenso gleichgültig, als sie mir überflüssig erscheinen muß. –
(Richard Wagner, Eine Mitteilung an meine Freunde, 1851)
Mit dieser meiner neuen Konzeption trete ich gänzlich aus allem Bezug zu unsrem heutigen Theater und Publikum heraus: ich breche bestimmt und für immer mit der formellen Gegenwart. [...] An eine Aufführung kann ich erst nach der Revolution denken: Erst die Revolution wird mir die Künstler und die Zuhörer zuführen. Die nächste Revolution muss notwendig unsrer ganzen Theaterwirtschaft das Ende bringen: sie müssen und werden alle zusammenbrechen, dies ist unausbleiblich. Aus den Trümmern rufe ich mir dann zusammen, was ich brauche: ich, was ich bedarf, dann finden. Am Rheine schlage ich dann ein Theater auf, und lade zu einem großen dramatischen Feste ein: nach einem Jahre Vorbereitung führe ich dann im Laufe von vier Tagen mein ganzes Werk auf: mit ihm gebe ich den Menschen der Revolution dann die Bedeutung dieser Revolution, nach ihrem edelsten Sinne, zu erkennen.
(Richard Wagner an Theodor Uhlig, 12. November 1851)
Die Aufführung meiner Nibelungendramen muß an einem großen Feste stattfinden, welches vielleicht eigens zum Zwecke eben dieser Aufführung zu veranstalten ist. Sie muß dann an drei aufeinanderfolgenden Tagen vor sich gehen, an deren Vorabende das einleitende Vorspiel gegeben wird.
(Richard Wagner an Franz Liszt, 20. November 1851)
Aus dem Rhein wurde der Main, und anstelle Zürichs fanden die Aufführungen schließlich in Bayreuth statt.
Aus dem ursprünglich singulären Vorhaben Richard Wagners entwickelten sich die alljährlichen Bayreuther Festspiele gleichsam zur "Mutter aller Festspiele".
Geblieben ist aber der Anspruch, beispielhafte und maßstabsetzende Aufführungen der Werke Richard Wagners zu realisieren und so jeweils eine „vortrefflichen Aufführung der Oper“ zu gewährleisten.